über mich

Es mag merkwürdig klingen, wenn ich davon spreche, dass ich zwischen zwei Welten pendele. Bei Welten denken wir unweigerlich an Planeten und haben unweigerlich auch unsere Erde vor Gesicht.

Dieses Bild habe ich auch vor mir. Ein wunderschöner blauer Planet, der einen stolz und froh stimmt, darauf zu leben. In dieser Welt leben wir alle. Aber es gibt eine parallele Welt, in der es sich mindestens genauso schön und anmutig lebt. Diese Welt ist mitten unter uns und den meisten Menschen unsichtbar und auch unbekannt.

Es ist die Welt der Gehörlosen. Eine andere Sprache, eine andere Kultur mit eignen Werten und Humor. Wir haben eigene Theateraufführungen, Gebärdensprach-Posie, Fußballmeisterschaften, eine Deaflympis und vieles mehr. Die wenigsten Menschen wissen davon und wenn man dort einmal eingetaucht ist, kommt man aus dem Staunen nicht heraus und will mehr.

Ich komme aus der Welt der Hörenden. Meine Eltern sind hörend, mein Bruder und alle anderen in der Familie auch. ich bin lautsprachlich aufgewachsen, habe als Kind normal gehört und erst im Alter von 3 – 4 Jahren ein Teil meines Gehörs verloren, später nahezu den Rest durch eine fehlerhafte Hörgeräte-Anpassung. Meine lautsprachlichen Fähigkeiten sind weitgehend erhalten geblieben, man kann mich nach einigen Reinhören gut verstehen. So sagt man es mir.

Selbst sprechen zu können hat Vorteile. Man kann Fragen stellen und Gespräche eine bestimmte Richtung geben. Man kann viele Geschichten erzählen und muss dann selbst nicht so viel zu hören, es fällt dann nicht so auf, dass man fast nichts hört. Aufpassen muss man, dass man nicht in Monologe verfällt und nichts mehr von anderen Menschen erfährt. Eine Gratwanderung.

Damit niemand auf falschen Gedanken kommt: Die Gebärdensprache kann ich auch, habe sie aber erst später gelernt. Später heißt, fast zum Ende meiner schulischen Laufbahn, als wir von der Schwerhörigen-Schule bei der Gehörlosen-Schule zu Besuch waren. Ich war fasziniert von dieser anderen Schule, von den gehörlosen Menschen, von der Gebärdensprache. Ein magischer Zauber ging von ihr aus. Auch, weil ich bemerkte: Hier bin ich nicht mehr eingeschränkt in meiner Kommunikation. Und wie man das oft so aus Geschichten kennt: ich habe mich in ein gehörloses Mädchen verliebt und konnte von allem nicht genug bekommen. Ja, so fing das alles an.

Heute lebe ich mit meiner schwerhörigen Frau und meinen hörenden Kindern in einem schmucken Reihenhaus in Hamburg, umsäumt von meiner hörenden Familie und der gehörlosen Familie meiner Frau. Wie hier ist es auch in meinem Arbeitsumfeld: ich pendele zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt, im Wechsel der Lautsprache und der Gebärdensprache. Tagtäglich.

Ich bin glücklich darüber, ein Umfeld geschaffen zu haben, in dem mein eigentlicher Nachteil, das Nicht-hören-können plötzlich zum Vorteil wird und ich anderen Menschen die Brücke zwischen den Welten zeigen und vermitteln kann. Deshalb nenne ich mich Weltenpendler.

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